MÜNCHENER B–ENNALE – FEST–VAL FÜR NEUES MUS–KTHEATER
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GOOD

FRIENDS

Ziehen Gegensätze sich an oder gesellt bloß Gleich und Gleich sich gern? Der Mensch gilt als ein soziales Wesen. Dass er Freundschaften sucht und erstrebt, schließt und pflegen kann, ist kaum zu übersehen. Freunde sind einander zugewandt, sie freuen sich, wenn sie einander sehen. Sie können sich aufeinander verlassen. Jeder hat das Gefühl, sich vor dem anderen nicht verstellen zu müssen. Und es bleibt spannend, wenn sie sich begegnen. Eine gute Balance zwischen Übereinkunft und Unterschiedlichkeit stärkt das Interesse aneinander.
Je wichtiger die Freundschaft für alle Menschen ist, desto leichter kann der Begriff missbraucht und instrumentalisiert werden. Bestimmte „Freundschaften“ werden erkauft, vor allem im politischen und wirtschaftlichen Bereich. Du gibst mir dies und bekommst das dafür. Geschäftsfreundschaften werden gerne beim gemeinsamen Essen geschlossen, Getränke inklusive.

Gute, bessere oder schlechte Freunde … Skalierungen können die Absurdität des Aussprechens thematisieren. Sind die besten Freundschaften nicht oft diejenigen, auf die gar nicht hingewiesen werden muss und dabei so notwendig sind wie die Luft zum Atmen und klares Wasser zum Trinken — und die man erst dann erwähnt, wenn sie fehlen?

Zugegeben, als wir begannen, uns mit dem Thema GOOD FRIENDS für die aktuelle Ausgabe der Münchener Biennale zu beschäftigen, stand zunächst die ironische, sogar sarkastische Bedeutung des Begriffs im Raum. Vor allem, was die Beziehungen zwischen Völkern und Nationen angeht, wo Freundschaft gerne auch eine gegenseitige Ausbeutung und Unterwerfung bedeuten kann. Der größere und der kleinere Freund — und die Folgen. Und natürlich konnten wir nicht einmal ahnen, welch katastrophale Folgen gewisse „Freundschaften“ zwischen sogenannten Brudervölkern haben würden.
Wir freuten uns eher im selben Moment darüber, dass das Thema sich nach allen Seiten hin öffnet, dass es zugleich universal und utopisch verstanden werden kann. Welche Freundschaften wären möglich? Wie können neue entstehen? Welche Potenziale enthalten sie für einzelne und für Gesellschaften?

Aus diesem Gedanken heraus sind wir auf mögliche Paar-Konstellationen für das diesjährige Festival gestoßen, haben versucht, Arbeits-Freundschaften anzuzetteln über verschiedene Grenzen und Systeme hinweg. Beispielsweise beschäftigten sich daraufhin die schwedische Komponistin Malin Bång und der chinesische Autor Pat To Yan gemeinsam mit der Frage nach möglichen und unmöglichen Freundschaften. Der ukrainische Autor Serhij Zhadan, der schon bei unserer Anfrage vor zwei Jahren mitten in einem Kriegsgebiet lebte, erschuf zusammen mit dem österreichischen Komponisten Bernhard Gander LIEDER VON VERTREIBUNG UND NIMMERWIEDERKEHR. A. L. Kennedy, die schottische Autorin, schrieb mit der irischen Komponistin Ann Cleare eine Raum-Komposition, die einzelne Figuren modellhaft und musiktheatral engführt. Solche Verbindungen über Grenzen hinweg sind natürlich noch kein Garant für Freundschaft. Aber womöglich können sie Perspektiven schaffen, die den politischen Missbrauch des Begriffs Freundschaft in Frage stellen und den Blick öffnen für wirkliches Vertrauen und Zusammenarbeit. Frei nach unserer Vorstellung, dass nicht unbedingt politisches (oder politisch gelabeltes) Theater wünschenswert ist, sondern die Art des Theatermachens selbst politisch sein sollte. Die Wörter „frei“ und „Freund“ entstammen übrigens demselben Ursprung.

Unter Freunden fühlen wir uns frei.

 

7.5. –

19.5.22

Seit wir die Münchener Biennale für neues Musiktheater programmatisch verantworten dürfen, sind wir bestrebt, Themen zu realisieren, die sich gleichermaßen im individuellen wie im gesellschaftlichen Raum verwirklichen. Die Kunst darf nicht nur Alibi für gesellschaftspolitische Themen sein, sondern sie ist frei, sich zu bestimmten Fragen hierhin oder dorthin zu wenden und zu verhalten. Wir alle sind auf Freundschaften angewiesen. So kann sich erst von innen nach außen Solidarität und Zusammenhalt in der Gesellschaft, aber auch zwischen den Bevölkerungen unterschiedlicher Gesellschaften bilden. Von jeher hat die Kunst diese Spanne zwischen Freiheitsmöglichkeiten und Verbindlichkeit auf exemplarische Weise belebt, erforscht und erfüllt.

Wir freuen uns sehr, dass wir auch dieses Mal mit der großartigen und außerordentlichen Unterstützung der Stadt München, insbesondere des Kulturreferats, rechnen konnten.
Und auch, dass wir auf so nachhaltig freundschaftliche Weise mit Spielmotor München zusammenarbeiten dürfen. Dem gesamten Biennale-Team danken wir herzlich für den vertrauensvoll kritischen und produktiven Umgang miteinander, und dass wir immer noch nicht zerstritten sind!

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen allen ein hoffentlich anregendes, genussvolles und nachhaltig wirkendes Festival im Mai 2022!

 

Daniel Ott und Manos Tsangaris
Künstlerische Leitung der Münchener Biennale — Festival für neues Musiktheater

 

 

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